Als „Stadtkrone“, so die beiden niederländischen Architekten J. H. van den Broek und J. B. Bakema, verbindet das 1967 eröffnete Rathaus auf der ehemals grünen Wiese mit Kühen die einzelnen Stadtteile Marls. Man ging davon aus, dass aus Marl bald eine Großstadt mit 200.000 Einwohnern würde! Heute, 2022, sind es knapp 84.000.
Gebaut wurde ein Gebäudekomplex, in dem die verschiedenen Bereiche räumlich getrennt sind. Weithin sichtbar: zwei als Hängehochhäuser konstruierte Türme für die Verwaltung (geplant waren ursprünglich vier); darunter das marmorverkleidete Zentralgebäude. Über eine schräge Ebene ("Beamtenlaufbahn") gelangt man in ein separates Gebäude mit den Büros für die Stadtspitze, den Sitzungssälen und einem großen Foyer, erreichbar auch über eine große Freitreppe. 60 Meter misst das markante Faltdach aus Sichtbeton, das auf nur vier Punkten lagert. Mit dieser zukunftsweisenden, kühnen Konstruktion gilt das Ensemble als architektonische Glanzleistung.
Ganz erstaunlich erscheint heute die Materialität im Inneren: etwa die edlen schwarzen Ledersessel, die Vertäfelung aus seltenem afrikanischen Holz, Marmorböden, Wandmosaiken – alles bis heute im Original erhalten.
In seiner historisch einmaligen Form steht das Rathaus auch als charakteristisches Bauwerk des demokratischen Neubeginns nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, als Symbol demokratischer Baukultur im Sinne des visionären Bürgermeisters Rudolf Heiland. Es hebt sich ausdrücklich von den obrigkeitlichen Bauten früherer Zeiten ab. In diesem Gebäude fühlt man sich nicht als bittstellender Untertan, sondern als selbstbewusster Bürger eines demokratischen und lebendigen Gemeinwesens.
An der Entscheidung, das Rathaus unter Denkmalschutz zu stellen, war 2015 die Marler Bürgerinitiative Pro Rathaus maßgeblich beteiligt. Aus ihr bildete sich die Kulturinitiative Zukunft findet Stadt.
2020 startete die dringend notwendige Sanierung des Rathauses, deren Vollendung für 2024 geplant ist. Fotografisch begleitet wird sie durch Susan Feind, die bereits 2015 mit ihren Rathaus-Fotografien für Aufsehen sorgte.