Martin Kaysh

Satiriker, Ruhrpöttler aus Überzeugung, Journalist seit zwölf, auf der Bühne seit ewig, AWO Oppa beim Dortmunder Geierabend a

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Als ich endlich selbständig denken konnte, vor allem aber staunen, Anfang der 70-er, schaufelten Chemie und Kohle fett Kohle in die Stadtkasse. Man schmiss sie gleich wieder zum Fenster raus. Das Marler Rathaus war gerade erst in das große Nichts mitten in der Stadt verpflanzt worden. Einladend, himmelstrebend offen, in Beton gegossene Stadtdemokratie.

 

Bevor am Rathaus der Zittysee ausgehoben wurde, war da Brachland, irgendwer kloppte in einem meiner Kindersommer die Innersteppe voll mit moderner Kunst, Skulpturen, einfach so. Der Marler kam zum Glotzen, ich ins Staunen, ins Fliegen.

 

Im Rathaus lernte ich das (Fern-)Sehen, kam als 13-Jähriger zufällig vorbei, als WDR-Ü-Wagen da rumstanden, es war gerade Grimme. Man brauchte damals quasi ein eigenes Kohlekraftwerk, um in abgedunkelten Räumen flimmrige Bilder auf Röhrenfernseher zu legen. Abstimmen durfte ich auch noch, fand den Film mit Burkhard Driest toll, während Deutschland draußen ihn für einen Skandal hielt. Da hatte ich meinen ersten TV-Auftritt gerade hinter mir, Hund-Katze-Maus, die Montagsmaler. Solche Sachen passieren nicht. Man muss sie einfach marl machen.      

 

ODER:

 

Mein Marl war eine Entdeckerstadt. In Alt-Marl gab es Ende der 60-er noch zugewucherte Gebäude in Hinterhöfen, Bunker, die nicht zugemauert waren, unerschlossenes Gelände hinterm Volkspark. Alles gut für die kindliche Fantasie. Aber besser noch waren die anderen Fantasieräume, geschaffen von mutigen Menschen in Politik, Verwaltung und Kultur.

 

Im TM gab es spannendes Kindertheater. Grips und Co ließen singen: „Doof geboren wird keiner, doof wird man gemacht.“ Da war ich elektrisiert. Da wurde die Theaterbühne zum Traumraum, den ich beruflich später tausende Male als Kabarettist betreten habe. Bei Grimmes lernte ich Fernsehen, landete später quasi bei einem Preisträger, dem Politmagazin Monitor, sorgte dort mit zahlreichen Glossen für Wahrheitserkundung mittels Humor. Im Türmchen, toll betreut, lernte ich Lesen mit Gefühl, da weitete sich die Welt eines Zehnjährigen, wodurch ich später Texte nicht nur aufführen, sondern selbst Schreiben konnte.

 

Das Politische kam etwa mit Hans Apel, damals Bundesfinanzminister. Er sprach in der CWH-Kantine, ich holte mir anschließend ein Autogramm, der Arme konnte diese Art der Popularität kaum fassen. Ich blieb dran an der Politik, interviewte später unter anderem Johannes Rau, Gregor Gysi, Heiner Geissler und Bärbel Bas. Die Neugierde, damals in meinem Kinder- Marl geweckt, endet eigentlich nie.